Sehenswertes in Willsbach

Gedenkstein "Hungerstein 1817" – es war der Tambora

Steinackerweg 6, Obersulm-Willsbach

Nach schlechten Ernten seit 1805 und wegen des Ausbruchs des Vulkans Tambora im Jahr 1815 folgte 1816 das „Jahr ohne Sommer“, dessen Auswirkungen erst mit der Ernte 1817 allmählich überwunden wurden.

Der Gedenkstein am Steinackerweg 6 in Willsbach erinnert an die „große Theuerung 1817“ für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Brot im Hungerjahr 1817 mit dem Vers „Herr gib uns täglich Brot / Aus Gnaden immerdar / Vor Mangel theurer Zeit / Uns fernerhin bewahr“ und einer Aufstellung von verschiedenen Lebensmittelpreisen. Gegenüber dem Vorjahr, in dem bereits die Preise beträchtlich angestiegen waren, hatten sich die Kosten für Korn verdreifacht, für Dinkel und Hafer mehr als verdoppelt.

Gemäß der Willsbacher Ortschronik aus dem Jahre 1932 stiftete der damalige König am 16. Juli 1817 zur Linderung der Not der Armen 6000 Gulden, die im Lande zur Verteilung gelangten. Zum Andenken an jene Notzeit hatte der damalige "Ochsenwirt" Rudolph diesen Stein im "Ochsengarten" aufstellen lassen. Der erste Erntewagen 1817 wurde festlich bekränzt ins Dorf gebracht und anschließend in der Kirche ein Dankgottesdienst abgehalten. Eine Folge dieser Notzeit stellt noch heute das landwirtschaftliche Volksfest in Stuttgart-Bad Cannstatt dar.
Die letzten Willsbacher „Ochsenwirte“ Erika und Rudolf ließen den Gedenkstein zur Verfestigung der Erinnerung an das Notjahr in eine Sandsteinmauer verbauen.

(Quelle Lichtbild: Wikimedia Commons)

Geschichtliches

Im frühen 19. Jahrhundert führten Ernteausfälle durch ungünstige Witterung regelmäßig zu Hungersnöten. Württemberg litt in jenen Jahren infolge langer Kriegsjahre und Kriegslasten bereits unter einer schweren Wirtschaftskrise. Umso verheerender wirkten sich Missernten aus, die in vorindustrieller Zeit regional schlimme Auswirkungen hatten. Handel konnte über größere Strecken hinweg kaum betrieben werden, weite Teile der Landbevölkerung waren völlig verarmt.

Die schlechten Jahre 1805, 1809, 1810, 1813, 1814 und 1815 hatten im Weinsberger Tal bereits Missernten gebracht. Das schlimmste stand jedoch mit dem Jahre 1816 an, das "Jahr ohne Sommer". Als das "Jahr ohne Sommer" wird das vor allem im Nordosten Amerikas sowie im Westen und Süden Europas ungewöhnlich kalte Jahr 1816 bezeichnet. In den Vereinigten Staaten bekam es den Spitznamen „Eighteen hundred and froze to death“, und auch in Deutschland wurde es als das Elendsjahr „Achtzehnhundertunderfroren“ berüchtigt.

Das Wetter spielte verrückt. Nach einem ungewöhnlich milden Winter 1815 regnete es andauernd, auf Frostperioden im Frühjahr folgten Überschwemmungen. Noch im Mai waren die Brunnen zugefroren. Der Sommer war permanent regnerisch und nasskalt, am 08. August war die Region um Weinsberg  durch starken Hagelschlag betroffen. Der „Herbst“ (Weinernte) missriet gänzlich. „Der aus den ausgeschnittenen, weniger harten und sauren Trauben gewonnene Wein war nur durch Vermischung mit Obstmost trinkbar“ (Dillenius 1860. S. 220). Bereits Mitte Oktober lag wieder Schnee. Überall wurde „Notbrot“ gebacken. Es kam im Oberamt Weinsberg sogar zu Todesfällen infolge der Hungersnot. Die Menschen hatten kaum Reserven. Den Hafer kochte man und fütterte ihn nicht den Pferden. Viele Menschen wanderten in der Not aus. Der Eschenauer Kirchenkonvent schrieb im Jahre 1817: „Durch die vier Fehljahre 1813 bis 1816 und Fruchtteuerung sind die Weingärtner teils ärmer gemacht, teils an den Bettelstab gebracht worden. Die Armut hat in hiesigem Orte außerordentlich zugenommen“ (zit. n. Noller 1984]. Glücklicherweise folgte auf die Reihe von Missernten 1817 eine reiche Ernte, auch die Kartoffelernte fiel gut aus. Dagegen blieb der Weinertrag gering.

Erst in der Neuzeit konnte man die Ursache für das „Jahr ohne Sommer“ (1816) und die darauf folgende „Theuerung“ (1817) mit Hungersnot dem Ausbruch des indonesischen Vulkans „Tambora“ im Jahre 1815 zuschreiben: Zwischen dem 10. und 15. April 1815 explodierte der Vulkan Tambora auf einer lnsel in lndonesien mit katastrophalen Folgen, die man damals hier noch nicht ahnte. Seefahrer berichteten lange Zeit später davon. Niemand erkannte seinerzeit den Zusammenhang mit der folgenden Hungersnot. Es wurden infolge des Vulkanausbruchs ungefähr 100 Kubikkilometer Lava, Asche und Staub hochgeschleudert, so viel, um das gesamte Sulmtal einen Kilometer hoch damit hätte bedecken können. Über 100 000 Menschen starben dort bei der Eruption durch Flutwellen und Hunger. Der Staub verdunkelte 1816 unsere Sphäre. Ein „Jahr ohne Sommer“ mit gravierenden Ernteausfällen folgte.


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