Sehenswertes in Willsbach

Gedenkstein "Hungersnot 1771" - Folge zahlreicher Missernten

Löwensteiner Straße 41, Obersulm-Willsbach

WikimediaDer Gedenkstein am Gebäude Löwensteiner Straße 41 in Willsbach erinnert an den Bau einer früheren Zehntscheune und die Hungersnot 1771. Dieser Stein befand sich früher an der Scheunenecke Löwensteiner Straße und Heerweg über dem dortigen Stalleingang. Die Scheune befand sich auf dem Gelände Heerweg 1, mittlerweile „Schlosserei Leihenseder“. Gegenüber der Scheune befand sich das ehemalige Gasthaus „zur Linde“.

Der Gedenkstein ist mit folgender Inschrift versehen:

1770
Ist dieser Bau
Aufgericht worden
Malt Dinkel  3 fl
B???     Mal 5 fl
?? M Haber  8 fl
1 Sim Erbse    3fl  12 k
1 Sim Bohne   3fl  12 k
1 Sim Erdbie   1fl  4 k
8 Pfund Brod  1fl
??e??er  wigt  3 Lot
da vor behite gott
uns ferner 

Die Schadstellen wurden offensichtlich mit „??“ ersetzt.

Den hohen Preisen 1771 gingen vier Missernten in Folge voraus.

Gemäß der Willsbacher Ortschronik aus dem Jahre 1932 sah sich der damalige Stabschultheiß Kleinbach veranlasst, aus dem Betrieb des Gutes Carl Rüdt von Collinberg in Bödigheim bei Adelsheim eine Fuhre Frucht zu kaufen. Am 19. April 1771 trafen in 14 versiegelten Säcken 15 Malter Dinkel und Roggen in Willsbach ein und wurden sofort an die drei hiesigen Bäcker zum Brotbacken ausgegeben. Dieses Brot wurde anschließend durch den Bürgermeister (Gemeindepfleger Kleinknecht) an die Willsbacher Einwohner verteilt. Ein "Malter" war seinerzeit eine Maßeinheit für Getreide und andere trockene Waren. Es war eine Volumeneinheit, die je nach Region unterschiedlich war, aber im allgemeinen zwischen 200 und 220 Litern lag.

(Quelle Lichtbild: Wikimedia Commons)

Geschichtliches

Teuerungen aufgrund von Missernten gehörten zu den Grunderfahrungen der europäischen Agrargesellschaften. Vom Ausgang des Mittelalters bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren solche Hungersnöte in Europa allgegenwärtig und kehrten in unregelmäßigen Abständen immer wieder. Neben den 1570er und 1690er Jahren war die Krise der frühen 1770er Jahre eine der markantesten, wenn nicht die größte kontinentaleuropäische Hungerkatastrophe. Selbst in den Jahren, in denen sich die Menschen durchschnittlicher Preise und ausreichender Versorgung mit Lebensmitteln erfreuten, belastete sie stets die Sorge, dass es vielleicht schon im kommenden Jahr ganz anders sein könnte. Mangel und Angst vor Hungersnöten und Teuerungen waren nicht etwas räumlich und zeitlich weit Entferntes, sondern Teil des Alltags. Die Auswirkungen gingen weit über den wirtschaftlichen Bereich hinaus und erfassten in der vorindustriellen Zeit die gesamten Lebensumstände.

Die Hungersnot von 1771 in Württemberg war eine der schwersten Hungersnöte in der Geschichte des Landes und hatte verheerende Auswirkungen auf die Bevölkerung. Es wird angenommen, dass eine Kombination von Faktoren zur Hungersnot beigetragen hat.

Bereits in den Jahren 1756-63 kämpfte Württemberg auf der Seite des theresianischen Österreich (Maria Theresia von Österreich 1717-1780)  gegen das Preußen Friedrichs des Großen (= Friedrich II.). Dieser Siebenjährige Krieg endete im Frieden von Hubertusburg im Februar 1763. Als "Siebenjähriger Krieg" wird eine Reihe von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den fünf europäischen Großmächten Preußen, Österreich, Russland, Frankreich und Großbritannien in den Jahren von 1756 bis 1763 bezeichnet.

Zu dieser Zeit gab es in Württemberg eine große Abhängigkeit von der Landwirtschaft als wichtigste Erwerbsquelle. Im Jahr 1770 gab es jedoch ungewöhnlich schlechte Witterungsbedingungen, einschließlich eines späten Frosts im Frühjahr und anhaltender Regenfälle im Sommer. Diese Bedingungen führten zu einer schlechten Ernte und einem Mangel an Futter für das Vieh.

Darüber hinaus hatte Württemberg auch eine schlechte Infrastruktur, was bedeutete, dass es schwierig war, Nahrungsmittel aus anderen Regionen zu importieren. Die Transportwege waren schlecht und die Straßen waren oft unpassierbar, was den Handel und den Transport von Nahrungsmitteln erschwerte.

Als Ergebnis dieser Faktoren kam es im Jahr 1771 zu einer Hungersnot, die schätzungsweise 10% der Bevölkerung von Württemberg betraf. Die Menschen litten unter Hunger, Krankheiten und Elend. Es gab viele Todesfälle, besonders unter den Ärmsten und Schwächsten der Gesellschaft.

Die Regierung von Württemberg versuchte, die Situation zu verbessern, indem sie Nahrungsmittel und Gelder an Bedürftige verteilte. Es war jedoch schwierig, alle Bedürfnisse zu erfüllen, und die Bemühungen der Regierung waren begrenzt.

Infolgedessen hatte die Hungersnot von 1771 langfristig Auswirkungen auf die Gesellschaft von Württemberg. Viele Menschen verarmten oder starben, was sich auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes auswirkte. Die Regierung von Württemberg begann, sich stärker auf die Förderung von Industrie und Handel zu konzentrieren, um die Abhängigkeit von der Landwirtschaft zu verringern und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu fördern.


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