Rundgang Willsbach
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Weinsberger Straße 6, Obersulm-Willsbach
Noch wesentlich weiter in die Vergangenheit als die Erinnerungen an den alten Kindergarten reicht die Historie des Gebäudes. Nicht nur als „ehemaliger Kindergarten“ sondern insbesondere als „Uraltes Schulhaus“ ist es lediglich noch in den Annalen Obersulmer Chroniken angeführt. "Erbaut vor undenkbaren Zeiten" heißt es in Archivoriginalen, da im 30-jährigen Krieg offensichtlich entsprechende Unterlagen vernichtet worden sind. Das „Uralte“ Schulhaus dürfte wohl älter sein als das ursprüngliche Pfarrhaus (erbaut im 16 Jh.).
Aus der Zeit vor der lutherischen Reformation sind nur wenige Dorfschulen in Württemberg bekannt, so dass die große Mehrheit der Jugend eine Schulbildung nicht kannte. Erst Martin Luthers Aufruf »An die Bürgermeister und Ratsherren aller Städte Deutschlands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen« (1524) förderte die deutschen Schulen und es begann eine umfassende Bildung im Sinne von Volksschulen. Herzog Ulrich von Württemberg, der zwischenzeitlich von den Habsburgern 1519 – 1534 außer Landes vertrieben worden war, gewann mit Unterstützung protestantischer Fürsten Württemberg zurück (in der Schlacht von Lauffen am 13. Mai 1534). Mit dem Vertrag von Kaaden erhielt er Württemberg als österreichisches „Afterlehen“ und reformierte sein Land. Grundlage für die Schulentwicklung wurde die „Große Kirchenordnung“ von 1559, die in sich die erste Schulordnung des Landes enthielt. In alten Akten des Staatsarchivs Baden-Württemberg werden von 1592 bis zum Ende des 30jährigen Kriegs für Willsbach sieben Schulmeister genannt. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts hatten Sonntagsschule, Industrieschule (ein damaliges Modewort für Handarbeitsschule) sowie Bauern- und Handelsschule hier ihr Zuhause. 1779 besuchten 95 Kinder diese Schulstube. Nach dem Krieg 1870/71 wurde im Jahr 1875 der Schulbetrieb in Willsbach westlich der Kirche in ein neu erbautes Schulhaus verlegt. Unter Einbeziehung vorhandener Spenden aus Amerika konnte in unserer Gemeinde die schon länger andiskutierte „Kleinkinderschule“ gegründet werden. Auch diese Kleinkinderschule wurde in das neue Gebäude einquartiert. Die erste Kleinkinderlehrerin, Karoline Krafft aus Höfingen, kam von der Kleinkinderlehrerbildungsanstalt Großheppach. Die Kleinkinderschule wurde vom Ortsschulrat beaufsichtigt. Im ersten Jahr des Bestehens von Martini 1875 (11. November) bis Georgii 1876 (23. April) besuchten 37 Kinder die Kleinkinderschule.
1906 kehrte die Kleinkinderschule wegen Platzmangels in der neuen Schule wieder in die „Uralte“ Schule, in das „Schüle“ zurück. Fast 50 Jahre lang, bis 1953, hatte jetzt die Kinderschule dort ein eigenes Haus und ab 1929 auch einen Sommerkindergarten, eine Spielwiese mit Sitzplätzen und überdachtem Spielplatz, unterhalb des alten Friedhofs am Lindenweg.
Unzertrennlich verbunden mit dem „Schüle“ bleiben Anekdoten und Erinnerungen mit dem Namen „Karoline Schnizler“ verbunden. Zu sehr hatte diese Kinderschwester mit ihrer Tätigkeit ab dem 11. August 1911 die Kinderschulzeit in Willsbach über Generationen hinweg bis 1953 geprägt. Auch sie kam von der Kleinkinderlehrerbildungsanstalt Großheppach nach Willsbach. Nur in der Zeit zwischen 1942 bis Kriegsende musste sie auf höhere Anordnung den Dienst in der Willsbacher Kinderschule verlassen, kehrte jedoch nach dem Krieg wieder nach hierher in den Kinderschuldienst zurück.
Erzählungen altehrwürdiger Willsbacher zufolge stand am Eingang des „Schüles“ ein Blechtrog. Wenn die Kinder morgens eintrafen, mussten sie sich dort mit Seife die Hände waschen, sich hinsetzen und die Hände auf den Tisch legen; erst wenn Ruhe eingetreten war, konnte das „Schüle“ beginnen. Damals wurden die Vesperbrote in der Regel noch in Zeitungspapier eingewickelt. Schwester Karoline ließ nichts verkommen. Und so wurden die Einwickelpapiere hinterher von einem der Kinder eingesammelt, gefaltet und in eine Schachtel neben den Ofen gelegt, zum Anfeuern desselben. Während der Pausen ging es hinaus und hinab in die mit Inertol (Beschichtungsstoff auf Bitumenbasis) gestrichene Toilette - und natürlich ging es danach auch wieder hintereinander zum Blechtrog, um die Hände zu waschen. Unartige Kinder wurden zur Strafe auf die Kellertreppe gesetzt. Und da in der Nähe ein Regal mit „Eingemachtem“ stand („G’sälz“ usw.), wurde dieser Arrest nicht ungern abgesessen. Manch einer wurde kurzerhand „zum Nachdenken“ auf den Schrank gesetzt. Wenn die „Rabauken“ zu sehr tobten, nahm sie manchmal einen in ihre Kammer. Ein Kind fragte: "Bekommt er dort eins hinten drauf?” Schwester Karoline: ”Nein, ich bete mit ihm." - und das dauerte meistens ziemlich lange. Also: Lieber folgen als ins Gebet genommen zu werden! Schwester Karoline besaß zwei wunderschöne Puppen, eine mit dunklem und eine mit blondem Haar. Wenn eines von den Kindern im „Schüle“ Geburtstag hatte, durfte es an diesem Tag eine von diesen Puppen auswählen, in den Arm nehmen und damit spielen. Der Weg zum Sommerspielplatz gehörte seit 1929 zum festen Bestandteil des Tagesablaufs, wann immer das Wetter es zuließ. Beim Spaziergang an der Sulm entlang mussten sich alle Kinder paarweise am „Leitseil“ festhalten. Das waren die Kinder gewohnt. Nur um den ersten und letzten Platz gab es immer Streit. Die Kinder, die diese Plätze einnehmen durften, bekamen von Schwester Karoline „ehrenvolle“ Aufgaben („Leithammel“, „Aufpasser“). Auch nach Jahren kannte Schwester Karoline alle Kinder mit Vor- und Nachnamen und oft auch die restliche Familie. Bei ca. 800 Kindern, die durch ihr „Schüle“ gingen, war dies eine beeindruckende Leistung. Kaum vorstellbar, dass Schwester Karoline zeitweilig alleine bis zu 50 Kinder zu beaufsichtigen hatte.
1953 wurde der Kindergarten der evangelischen Kirchengemeinde aus dem „Schüle“ in den neu erbauten Kindergarten im Wiesental (Bahnhoffußweg 5) verlegt. Mit dem Bau der Vater-Unser-Kirche am Sülzbacher Weg wurde in Willsbach unter der Trägerschaft der katholischen Kirchengemeinde im Jahr 1970 ein weiterer Kindergarten in Betrieb genommen. In den Folgejahren, insbesondere nach der Gemeindereform Obersulm 1974, entstanden in Willsbach weitere gemeindliche Kindergärten.
Das „Uralte“ Schulhaus dürfte wohl älter als das ursprüngliche Pfarrhaus (erbaut im 16 Jh.) sein, denn in Archivoriginalen heißt es lediglich "erbaut vor undenkbaren Zeiten", da im 30jährigen Krieg entsprechende Unterlagen vernichtet worden sind. In alten Akten im Staatsarchiv werden jedoch von 1592 bis zum Ende des 30jährigen Krieg hier sieben Schulmeister genannt. Von 1706 liegt eine Beschreibung der damaligen „Einraumschule“ vor. Diese diente als Schulstube für zwei Unterrichtende. Dazu gehörte eine Lehrerwohnstube, Küche, Backofen im Erdgeschoss, Gehilfenwohnung im Dachgeschoß und ein Kellerraum. In Notzeiten befand sich hier die Suppenküche. Aber auch Sonntagsschule, Industrieschule (ein damaliges Modewort für Handarbeitsschule) sowie Bauern- und Handelsschule hatten hier ihr Zuhause. 1779 besuchten 95 Kinder diese Schulstube. Ende des 18. Jh wurde mit einer lang ersehnten Anbauphase begonnen: zwei Schulstuben, Lehrerzimmer, „Leichenkammer“ (der Friedhof lag um die Kirche herum) und Stallungen für den Lehrer. Im Jahre 1825 schließlich entstand auf dem alten Sandsteinfundament ein solider und hochwertiger Fachwerkbau, der durch den Waldreichtum der Gemeinde möglich geworden war.
In einer Oberamtsbeschreibung von 1861 heißt es: „Vorn, unmittelbar an der Poststraße, das rückwärts liegende Pfarrhaus halb verdeckend, liegt das ansehnliche, im Jahre 1829 neugebaute Schulhaus mit zwei Lehrzimmern im unteren und den Wohngelassen des Lehrers im oberen Stock. Auch dessen Baulast liegt dem pium Corpus, subsidiär der Gemeinde ob.“
Nach dem Krieg 1870/71 war auch dieses Schulhaus wieder zu eng geworden und so wurde 1875 westlich der Kirche ein neues Schulhaus eingeweiht, in welches auch die neu gegründete Kleinkinderschule einquartiert wurde. Die „Uralte“ Schule diente in den folgenden Jahren, z.B. während des Neubaus des Pfarrhauses (1878) als Pfarrwohnung, dann aber unter anderem auch als Lehrerwohnung, als Kornspeicher und einiges mehr. 1906 kehrte die Kleinkinderschule wegen Platzmangels in der neuen Schule wieder in die „Uralte“ Schule zurück. Die Kleinkinderschule, das „Schüle", war über die hintere Staffel gegenüber dem Pfarrhaus zugänglich. Neben dem Eingang war die Wohnung und Küche (mit Backofen und Waschküche) der Kinderschwester, darunter befanden sich die nur von der Ostseite aus zugänglichen primitiven „Abtritte“ und der kleine Keller. Im oberen Stock waren Lehrerwohnungen. Der Vorplatz war von der Weinsberger Straße durch eine Kettenabsperrung gesichert.
Eine große Neuerung ergab sich, als im Jahr 1953 die Kirchengemeinde den im Rohbau von der bürgerlichen Gemeinde übernommenen Kindergarten im Wiesental (Bahnhoffußweg 5) einweihen und damit einen Kindergarten für zwei Gruppen eröffnen konnte. Ab dieser Zeit endete die Bestimmung des „Schüle“ als Kindergartenstätte.
Am 25. April 1958 wurde das „Schüle“ in der Weinsberger Straße 6 in Willsbach an private Käufer veräußert, um Gelände für den beabsichtigten Volksschulneubau kaufen zu können.
Damit vorstehende Achsen der Fuhrwerke die Gebäudeecken nicht beschädigten, wurden seinerzeit abgeschrägte Steine gesetzt, welche die Wagenräder ablenkten und den Wagen zur Seite ablenkten. Dadurch wurde verhindert, dass vorbeifahrende Fuhrwerke keine Schäden am Gebäude anrichteten. Der Stein am „Schüle“ befindet sich an der Nord-Westseite des Gebäudes und sieht sehr beansprucht aus.