Rundgang Affaltrach
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Am Ordensschloss 15, Obersulm-Affaltrach
Nachdem der Hauptsitz der Kommende um 1600 von Hall nach Affaltrach verlegt worden war, erbauten die Johanniter 1694 eine neue "Amtsbehausung" und zwar "außer dem Dorf", wo sich schon vorher ein in ihrem Eigentum stehendes Gebäude befand. Später wurde das Gebäude »...von des Herrn Commandeurs Freiherr von Enzberg hochseligen Angedenkens nicht nur erneuert, sondern auch mit einem neuen Flügel oder Anbau versehen worden» (Freiherr von Enzberg - Komtur 1719 bis 1749 in Affaltrach). Seine heutige Gestalt erhielt das Schloss unter dem letzten Johanniterkomtur Franz Konrad Josef Truchsess von Appenweiher und Rheinfelden. Am 1. Mai 1788 übernahm er die Kommende und ließ das Gebäude sofort renovieren. »...der jezigen Herrn Commendthurs und Gros Kreuz Hochwürden Exzellenz gleich bei dero untem 1. May 1788 erfolgter Kommende Antritt eine gründliche und sehr kostspielige Reperatur dergestalt vorzunehmen sich bewogen sahen, dass ausser den 4 Haupt Mauren und zum Theil diese nicht, das mindeste stehen geblieben«, so das Lagerbuch von 1793. Das vollkommen aus Stein erbaute Schlossgebäude verfügt über drei Geschosse. Vom großen Hof auf der Westseite des Schlosses aus führt eine Freitreppe über die fast geschosshohe zweiflügelige Eingangstür ins Hochparterre. Darüber befindet sich das erste Stockwerk. Ein Teil des Gebäudes wird durch zwei stattliche Rundtürme gesäumt. Sie reichen hoch bis zur Dachtraufe und sind mit den Räumen im Gebäude verbunden. Das Dachgeschoss liegt unter einem hohen Walmdach, das für die gesamte Anlage sehr prägend ist. Während der Johanniterherrschaft befand sich im »Unteren Stock linker Hand« u.a. »ein Erker mit Kapelle«, das »Tafel oder Speis Zimmer« sowie die »Kanzlei zur Bewahrung der Aktenstücke«. » Rechter Hand (u.a.) die Gesindstube, eine grosse und geräumige Küche nebst daran stossende Speis Kammer«. »Im Obern Stock, linker Hand (u.a.) von vornen auf die Strasse und den Hof ein grosser schöner tapecirter Saal, daran stosset das Wohn Zimmer Sr. Exzellenz und gleichfalls daran stossender Erker oder Cabinet«; rechter Hand werden im Lagerbuch drei weitere Zimmer erwähnt. »Im Dritten Stok sind unter dem Dach 6 Mansarten Zimmer artig angebracht, welche vor die Bedienten und Gesinde dienen, nebst einer geräumigen schwarzen Wasch Kammer und einem Rauch Kämmerlen«. Heute befinden sich im früheren Schlossgebäude Wohn- und Geschäftsräume der Schlosskellerei Affaltrach.
Entlang der südlichen Hofseite erstreckt sich ein etwa 30 m langes Gebäude mit zwei zum Hof hin parallel verlaufenden und voneinander abgesetzten Giebeldächern. Der an der Grundstücksgrenze verlaufende Gebäudeteil ist zweistöckig, während der zum Hof hin liegende Teil einstöckig ausgeführt ist. Heute befinden sich in diesem Gebäude Betriebsräume der Schlosskellerei. Zu Zeiten der Johanniterherrschaft diente das Gebäude als Scheune, Fruchtspeicher und Unterkunft für die Kutschen »unter dem Dach befindet sich eine schöne Frucht Bühne, welche Raum genug hat, um die Früchte von 2 bis 3 Jargäng aufzubewahren«. Auf der Ostseite des Gebäudes ist in etwa der halben Dachhöhe im rechten Winkel ein ebenfalls mit einem Giebeldach versehenes Häuschen angebaut, die frühere Wachtstube. »Oben im Thurm ist ein klein Glöklen,welches im Fall der Noth kann geläutet werden«, wie im Lagerbuch von 1793 vermerkt. Zu Zeiten der Religionsstreitigkeiten im Ort könnte in diesem Raum auch die Messe gehalten worden sein. Unter dem lang gestreckten Gebäude »befindet sich ein schöner ganz gewölbter Keller, welcher wenigstens 200 Fuder Wein fassest«. Vor Einführung der metrischen Maße 1871 rechnete man in Affaltrach ab 1806 mit württembergischen Maß (1 Fuder = ca. 1800 Liter). Vor 1806 holte man die "Eich" in Heilbronn, d.h. man rechnete nach Heilbronner Maß, das deutlich vom württembergischen Maß abwich. (1 Heilbronner Fuder = 750 Liter). Der Johanniterkeller fasste also rund 150 000 Liter Wein in Holzfässern. Gelagert im Keller wurden sowohl die Weine der kommendeeigenen Weinberge als auch die "Zehntweine". Zusammen mit den Herren von Weiler stand der Johanniterherrschaft der "Große Weinzehnte" in Affaltrach aber auch von einigen Weinbergen in Eschenau und Weiler zu. Heute beherbergt der Johanniterkeller über 50 Eichenholzfässer mit einem Fassungsvermögen zwischen 600 und 11 00 Litern, vor allem für Weine aus dem eigenen Weingut der Schlosskellerei.
Der Johanniterorden
Der Johanniter-, auch Malteserorden genannt, geht auf ein von italienischen Kaufleuten in Jerusalem gestiftetes "Hospital zum Heiligen Johannes" zurück. Es stammt noch aus der Zeit vor dem ersten Kreuzug. Nach dem Rückzug aus dem Heiligen Land und der Eroberung der Insel Rhodos 1310 nannten sie sich u.a. auch Ritter von Rhodos. Im Jahr 1530 überließ Kaiser Karl V. die Insel Malta den Ordensleuten, nachdem diese von den Osmanen aus Rhodos vertrieben worden waren. Daher kam auch der zusätzliche Name Ritter von Malta. 1798 übergab der damalige Großmeister ohne Gegenwehr die Insel an Napoleon - die Ritter durften nach ihren Regeln ihr Schwert nicht gegen andere Christen erheben. Die meisten Ordensangehörige verließen die Insel und viele emigrierten nach Russland. Heute hat der Orden seinen Sitz in Rom mit einem besonderen völkerrechtlichen Status. Seine offizielle Bezeichnung: Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom Heiligen Johannes von Jerusalem, genannt von Rhodos und von Malta.
1538 wurden die Ritter der Johanniter-Ballei Brandenburg evangelisch und damit entstand ein protestantischer Zweig des Ordens. Die Bezeichnungen der heutigen Hilfsorganisationen "Malteser"(katholisch) und "Johanniter" (evangelisch) sind ein Ausfluss dieser Trennung.
Europaweit war der Orden in sog. Großpriorate aufgeteilt. Das Großpriorat Ober- und Niederdeutschland hatte seinen Sitz in Heitersheim (Südbaden) und wurde 1548 von Kaiser Karl V. zu einem reichsunmittelbaren Fürstentum erhoben. Es war in acht Balleien (Provinzen = Verwaltungsbezirke) unterteilt, die sich wiederum aus den einzelnen Kommenden (Ortsniederlassungen) zusammensetzten. Zum Großpriorat Heitersheim gehörte bis 1806 auch die Johanniterkommende Hall-Affaltrach.
Die Anfänge in Affaltrach
Bereits im Jahre 1262 bestand in Affaltrach ein Johanniterhospital. 1278 erwarb der Orden, der einen Verwaltungssitz (Kommende) in Schwäbisch Hall unterhielt, von Graf Gottfried von Löwenstein weiteren Grundbesitz in Affaltrach. 1289 erhielten die Johanniter, teils durch Schenkung, teils durch Kauf, das Patronatsrecht (Pfarrbesetzungsrecht) für die Kirche am Ort.
Im 13. Jahrhundert waren in Affaltrach im wesentlichen vier Herrschaften begütert, nämlich Löwenstein, Weinsberg, das Kloster Lichtenstern und die Johanniterkommende Hall. Den Löwensteinern, die ihre Grafschaft als Reichslehen besaßen, standen die umfangreichsten Rechte zu. Insbesondere die entscheidenden Rechtstitel der eigentlichen Ortsherrschaft waren löwensteinisch. So erlaubte Kaiser Ludwig der Bayer am 3. Juli 1333 dem Grafen Nikolaus dessen Dorf Affaltrach zur Stadt zu erheben. Dieser begann auch mit dem Ausbau, jedoch machte sich die beständige Geldknappheit der Grafschaft verhängnisvoll bemerkbar. Zudem reduzierte eine Pestepidemie ab 1348 die Bevölkerung, was zu hohen Einnahmeverlusten führte und so alle Pläne zum größeren Ausbau des Ortes zunichte machte. Aktenkundig ist allerdings ein befestigtes Gebäude "burg" mit einem Wassergraben umgeben.1466 überträgt der Kurfürst von der Pfalz seine Lehensgüter zu Affaltrach, namentlich das "Burgstadel nebst den dazugehörigen Äcker und Wiesen", an den Johannniterorden. Die Lagebezeichnung "Burggarten" hat sich in Affaltrach im Straßennamen "Burggartengasse" erhalten. Im Lagerbuch von 1652 der Johnanniterkommende wird die Burg als "vor vielen Jahren abgegangen" bezeichnet. Verwaltet wurde Affaltrach bis 1406 von den Herren von Weiler als löwensteinische Ministeriale. Sie trugen den Titel eines Vogtes und hatten verschiede Rechte am Ort inne, mit denen sie von der Grafschaft belehnt wurden. Diese Lehen konnten auch verkauft werden.
Die Johanniter als Ortsherrschaft ab 1406
Im Jahre 1406 erlangte der Johanniterorden die landesherrliche Oberhoheit über Affaltrach.
"Wilhelm von Weiler verkauft mit Bewilligung von Conrad und Engelhard von Weinsberg die Vogtei, Gericht, Zehnten und Gülten sowie die Hauptgüter zu Affaltrach für 200 Goldgulden an Marquard Stahelohe, Komtur des Johanniterhauses zu Hall."
Schon vorher hatte der Orden seinen Besitz im Ort durch Erwerb von Anteilen an der Mühle vergrößert. 1407 kamen auch die beiden bis dahin noch löwensteinischen Keltern in seinen Besitz.
Um das Jahr 1535 wandte sich Affaltrach der Reformation zu. Nicht eindeutig klären lässt sich die Frage, ob die ganze Gemeinde oder nur der größte Teil der Einwohner den neuen Glauben angenommen hatten. Der Orden aber hielt am katholischen Glauben fest, behielt das Patronatsrecht und konnte deshalb weiterhin den Pfarrer ernennen. Die Johanniter repräsentierten kirchliche und weltliche Macht in einem. Nach dem Augsburger Religionsfrieden (1555) galt ja der Grundsatz: "Wessen Land, dessen Religion." Trotzdem blieb der Ort weitgehend evangelisch. Dieser Widerspruch lässt sich dadurch erklären, dass Württemberg 1504 die Vogtei Weinsberg erobert hatte und glaubte, die "Obrigkeit" (Herrschaft) auch über Affaltrach zu besitzen. Württemberg stritt sich darüber immer wieder mit dem Orden, der sich aber letztendlich mit seinem landesherrschaftlichen Anspruch durchsetzen konnte. Nach dem Lagerbuch von Affaltrach von 1652 war der Johanniterorden "Landesfürst und alleiniger Herr über den Flecken". In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts siedelten die Johanniter immer mehr Katholiken in Affaltrach an, die "Neuerungen" in der als Simultankirche genutzte Johanneskirche vornahmen. Dies führte zu konfessionellen Konflikten bis Ende des 19. Jahrhunderts, wobei es bei beiden Seiten wohl des öfteren an Toleranz und Verständnis für die jeweils andere Konfession fehlte.
Die Herrschaft des Johanniterordens über Affaltrach dauerte 400 Jahre lang. Sie endete mit dem Tagesbefehl Kaiser Napoleons I. vom 19. Dezember 1805. Affaltrach, wie der gesamte Besitz der Johanniter im Lande, wurde unter Kurfürst Friedrich (dem nachmaligen König Friedrich I.) Württemberg einverleibt. Der letzte Ordenskomtur Freiherr Truchsess von Rheinfelden wurde nach den mit dem Johanniterorden getroffenen Vereinbarungen nunmehr als königlicher Subprior mit den Rechten als Patrimonialherr bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1809 in seinem Amte belassen. Er starb 89-jährig im Mai 1826 in Affaltrach.
Das Johanniterschloss fiel 1805 an das damalige Kurfürstentum (späteres Königreich) Württemberg. (siehe oben: Die Herrschaft der Johanniter). Der letzte Komtur, Freiherr Truchsess von Appenweiher und Rheinfelden, blieb bis zu seiner Pensionierung 1809 nunmehr in königlich württembergischen Diensten. Am 18.02.1812 kaufte der Freiherr als "Abfindungsausgleich" von der königlichen Kameralverwaltung in Weinsberg das Kommendegebäude samt aller dazugehörigen Grundstücke. Im Februar 1813 schenkte er "sämtliche zur ehemaligen Kommende Affaltrach gehörenden Gebäude und Zubehörden der Madame Feil und ihrer Tochter, Jungfer Marie Anne Feil, aus Dankbarkeit für erwiesene treue Dienste und Freundschaft, zur Unterstützung seiner Ökonomie und stete Erhaltung der Ruhe in seinem Alter." Die Tochter heiratete den k.u.k. Oberleutnant Kaspar von Hertling, der an einer Vergiftung starb. 1875 verkauften die beiden Töchter aus dieser Ehe das gesamte Schlossgut an Johann Klaiber. In den folgenden Jahren wechselte der Besitz mehrere Male, bis schließlich die Gemeinde Affaltrach Eigentümer wurde. Von dieser erwarb Willy Baumann 1928 das Anwesen und gründete 1933 die "Schlosskellerei Affaltrach". Sie ist heute noch in dritter und vierter Generation nach dem Firmengründer inhabergeführt. Die Kellerei gilt als eine der bedeutensten Wein- und Sektkellereien in Württemberg.