Sehenswertes in Affaltrach

Die Mahlmühle in Affaltrach

Bei der Mühle 33, Obersulm-Affaltrach

Entlang der Sulm und ihren Nebenbächen sind noch die Standorte von 23 früheren Mühlen nachweisbar. Weit überwiegend waren es Mahlmühlen. Doch auch Sägemühlen, Lohmühlen, Gipsmühlen und Hanfreiben sind darunter zu finden, wobei die beiden letzteren Mühlenarten meist mit einer Mahlmühle verbunden waren. Im Bereich des heutigen Gemeindegebiets von Obersulm befanden sich acht Mühlen, darunter zwei in Affaltrach. Bereits 1289 wird hier die "Obere Mühle" urkundlich erwähnt, was schon damals die Existenz einer weiteren Mühle nahelegt. Die letzte noch an der Sulm verbliebenen  Mühle, nach ihrem Eigentümer "Heusermühle" genannt, stellte erst im Jahr 2015 den Mahlbetrieb ein.

Geschichte der Mühlen in Affaltrach bis Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts

Die Mahlmühle

Im November 1289 verkauften Graf Albert von Löwenstein und seine Gattin Luitgard alle Rechte (vermutlich ein Viertel) an der oberen Mühle in Affaltrach an das "Johanniterspital in Hall". Die Johanniter besaßen zu der Zeit bereits die Hälfte an der Mühle. Ein weiteres Viertel kaufte der Orden im Jahr 1335 von Agathe von Nagelsberg, so dass ihm die Mühle ab diesem Zeitpunkt ganz zu gehören scheint. Die Johanniter belehnten Bürger mit dem Betrieb der Mühle, die dafür Mühlenzins an die Herrschaft zu leisten hatten.Die Affaltracher Mühle hatte 1525 Wolf Müller inne, der im Bauernkrieg auf Seiten der Bauern aktiv war und "auß gedretten= ausgetreten" ist, d.h. er hat sich der Verfolgung durch Flucht entzogen. Seine Güter wurden im November 1525 von den "Comissarii" zugunsten des jungen Grafen Ludwig von Helfenstein (dem Sohn des in Weinsberg Ermordeten) konfisziert. Im Lagerbuch von 1682 wird ein Michel Öchßner als Müller genannt (... kein eigenes Haus, nur Grundbesitz). Die Müller durften als ihren "Lohn" von den Bauern  den 15. Teil des zu mahlenden Kornes behalten. Unter dem Schutz des Grundherrn unterlagen die Müller auch einer besonderen Rechtssprechung, dem "Mühlenfrieden". Streit in der Mühle wurde besonders streng bestraft. Erst Ende des 18. Jahrhunderts trennte sich der Orden von dem bisher als Erblehen vergebenen Mühlenrecht.

Die Lohmühle  (spätere Gips- und Sägemühle)

Neben der Mahlmühle( Obere Mühle)  lässt sich bereits im hohen Mittelalter ein Lohmühle (Untere Mühle ) nachweisen. Diese lag südlich der Sulm und war durch ein Fuhrt erreichbar. (siehe eigener Bericht )

Die Wasserkraft

Bis ins 20. Jahrhundert, als zunehmend Motoren als Antrieb für die Mahlwerke verwendet werden konnten, waren über die Jahrhunderte die Mühlen in unserer Gegend auf die Wasserkraft angewiesen (Norddeutschland auch Windmühlen). So auch im Sulmtal, wo entlang der Sulm und ihren Nebenbächen die alten Mühlen entstanden waren. Von der ersten Mühle, der ehemaligen Obermühle in Löwenstein, bis zur letzten, der Reisachmühle bei Neckarsulm, beträgt auf diesen rund 20 Kilometer der Höhenunterschied nur 140 m. So ist es nachvollziehbar, dass die Müller sich öfters jeden Zentimeter an Wasserhöhe "erkämpfen" mussten. Wenn z.B. die Müller in Löwenstein ihre beiden Seen stauten, konnte dies durchaus die Mahlgänge in der Mühle in Affaltrach beeinträchtigen. Deshalb wurden schon im Mittelalter Vorschriften über die Wassernutzung erlassen. Diese Nutzungsrechte wurden im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung von 1869 durch das königliche Oberamt Weinsberg neu erfasst, beschrieben und numeriert. Die Affaltracher Mahlmühle erhielt ihren Wasserzulauf über einen 1017 m langen Mühlkanal (Oberkanal), der bereits auf der Gemarkung Weiler von der Sulm abzweigte. Zusätzlich wurde ihm Wasser des Schlierbachs (früher: Spitalwiesenbach) durch ein eigenes Wehr zugeführt. Der Mühlkanal hatte ein Nutzgefälle von 5,7 m, das höchste der Sulmtalmühlen. Bereits im Jahr 1298 wird ein Mühlgraben in Affaltrach urkundlich erwähnt. Nach Christa-Maria Mack (Geschichte des Klosters Lichtenstern) tauschte das Kloster mit dem Johanniterorden Güter, darunter eine Wiese in Affaltrach "auf dem Mühlgraben". Im Juli 1342 verkündete Rudolf Rüse, dass er dem Kloster Lichtenstern "ein "Pf. Hellergeld" auf einer Wiese "bei dem Mühlgraben" vekauft habe, so im Werk "Die Grafschaft Löwenstein..." von Professor Gerhard Fritz. Die bauliche Unterhaltung des Mühlgrabens oblag zumindest ab dem 19. Jahrhundert den jeweiligen Müllern. Auch das Mühlenvisitationsprotokoll aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gibt darüber Auskunft. Im Jahr 1859 wurde zum Beispiel dem Müller Christian Rappold auferlegt, dass der Mühlkanal, der auf der Gemarkung Weiler unter der "Vicinalstrasse" durchführte, "mit einer 4 m langen Mauer einzufassen ist, dass das Wasser nicht mehr in  den Chaussegraben laufen kann, weil hierdurch die Strasse notleidet." 1863 ist das Mühlwehr am "Weilemer Steg" (Einmündung Schlierbach) "total zusammengefallen.. (und) der gangbare Steg hierdurch gefährlich worden". Für die Behebung des "Defects" wurden zwei Monate festgesetzt. Über den Mühlkanal wurden bis 1909 zwei oberschlächtige Wasserräder betrieben, die dann durch ein Wasserrad ersetzt wurden. Beim Bau des "Breitenauer Sees" musste auf das bestehende Wasserrecht für die Mühle Rücksicht genommen werden. Im Stollen unter dem Damm ist unter anderem ein Rohr für den Durchfluss der Sulm verlegt. An dieses Rohr wurde deshalb ein Abzweigrohr angefügt, das nördlich der Kreisstraße nach Weiler wieder in den  Mühlkanal mündet und der Mühle die ihr zustehende Wassermenge lieferen konnte. Im Jahr 1998  stellte die Affaltracher Mühle vollständig auf  Dieselmotorantrieb um. Der Wasserverband Sulm löste das bestehende Wasserrecht ab. Der Mühlgraben wurde in Teilen verfüllt und leitet in seinem Restbestand das Regenwasser aus dem Bereich des Dorfbergs in die Sulm. In der Landschaft ist der alte Verlauf des Mühlgrabens aber noch gut zu sehen.

Die ( "Obere") Mühle und ihre Müller von ca. 1800 bis Anfang des 20. Jahrhunderts

Ansicht von Westen (um 1914) - Vorne: Mühlenscheune - Mitte: Mühlengebäude mit Wohnung - Hinten: Anbau Gipsmühle
Ansicht von Westen (um 1914) - Vorne: Mühlenscheune - Mitte: Mühlengebäude mit Wohnung - Hinten: Anbau Gipsmühle
Ansicht von Süden (um 1945)
Ansicht von Süden (um 1945)
Umbau und Erweiterung 1922
Umbau und Erweiterung 1922
Verkauf der Mühle 1789
Verkauf der Mühle 1789

Der Johanniterorden mit Kommentursitz in Affaltrach übte bis in das Jahr 1805 die Landesherrschaft über den Ort aus. Seit dem Jahre 1335 gehörten dem Orden auch alle Rechte an der Mahlmühle. Rund 450 Jahre später trennte er sich von diesem Besitz. Der Verkauf fand am 15.Juni 1789  "auf der Gemeindestube" in Affaltrach statt. In  "hoher Anwesenheit" von "Truchsses Hochwürden Excellenz" wurden die Verkaufsbestimmungen durch seinen Amtmann Maximilian Joseph Her "wörtlich verlesen":

(Auszug)"....werde die herrschaftliche Mahlmühle nebst allen ihren zugehörigen Grundstücken....an den jenen erblehen weis verkauft, welcher die größte Kaufsumme zu bezahlen bieten werde." Den Zuschlag erhielt Caspar Fettig für die Kaufsumme von 7086 Gulden.

Die Mahlmühle

Im Mittelalter wurde hauptsächlich Roggen als Getreide angebaut. Als nach dem Dreißigjährigen Krieg das Bier zunehmend an Beliebtheit gewann, erfuhr die Gerste einen Anbauschub. Hafer diente vornehmlich als Pferdefutter. Zur Zeit des Mühlenverkaufs war Dinkel (Schwabenkorn) die meist angebaute Getreideeart, bis sie dann Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts weitgehend vom Weizenanbau verdrängt wurde. In der heutigen Zeit haben Backwaren aus Dinkel wieder einen größeren Kundenstamm gewonnen.

1807/1808

Im Brandversicherungskataster wird die Affaltracher Mahlmühle wie folgt beschrieben: "Zweistoketes Wohnhaus, eine Mahlmühle mit 2 Mahl und 1 Gerbgang".  Der Gerbgang war erforderlich, solange noch Dinkel gemahlen wurde. Im Gegensatz zu anderen Getreidearten verliert der Dinkel beim Dreschen seinen "Spelzen" (Deckblätter der Ähren) nicht. Das Dinkelkorn musste daher vor dem Mahlen durch den "Gerbgang" aufgeschlossen  werden . Im Erdgeschoss des Mühlengebäudes befanden sich der Stall und der Mahlraum, der obere Stock diente als Wohnung. Inhaber: "Johann Michel Stumb (Stumpp)".  Er scheint durch verwandschaftliche Beziehungen in den Mühlenbesitz gekommen zu sein, da später Ignazius Fettig als sein Stiefsohn bezeichnet wird.

1811 (Anbau einer Gipsmühle und Hanfreibe)

Am  22. Februar 1811 schreibt Ignatius Fettig: "Zur Betreibung eines bürgerlohnes Gewerbes in meinem Geburtsort Affaltrach bin ich gesonnen, dieses Frühjahr eine Hanf-u.GypsReibe zu erbauen, wozu mir mein Vatter (Siefvater Johann Michael Stumb) behülflich zu seyn verspricht, u. mir die Erlaubniß gegeben hat, neben seiner Mahlmühle...meine Hanf=und GipsReibe errichten zu dürfen....Eure königliche Majestäte bitte ich nun allerunterthänigst um die allergnädigste Concession zur Erbauung dieser Gyps=u. Hanfreibe,u. ersterbe in allertiefster Erfurcht Eurer Königlichen Majestät allerunterthänigster, treugehorsamer Bürgersohn Ignaz Fettig." Der Raum für die Gipsmühle und die Hanfreibe wurde auf der östlichen Gebäudeseite an die Mahlmühle angebaut.

Gipsmühlen

In Gipsmühlen wurde das in Gipsbrüchen abgebaute - hier in der Gegend vor allem in Gipsgruben (Gipskeupergebiet) - grob gekörnte Gipsgestein vornehmlich durch sog. "Gipsstampfen" zerkleinert und zu Gipspulver verarbeitet. Nicht nur zu Bauzwecken sondern vor allem zum Düngen von Wiesen und Feldern wurde es verwendet. Nach dem 1768 erschienenen Buch des Kupferzeller Pfarrers Johann Friedrich Mayer "Die Lehre vom Gips", setzte ein wahrer Gips-Boom ein. Viele ländliche Mahlmühlen sahen in der Gipsmehl-Herstellung ein weiters Standbein, um ihre Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Spätestens um 1880 wurde dieser Betriebszweig unrentabel; das in seiner Wirkung bessere Thomasphosphat (Thomasmehl) verdrängte zunehmend den Gips für Düngezwecke.

Hanfreibe

In der Hanfreibe wurden die harten Hanfstengel aufgeschlossen und die Hanffasern durch Reiben "zart, weich und geschmeidig" gemacht. Diese Fasern wurden dann zu Schnüren und Seilen oder auch zu groben Stoffen verarbeitet. Technisch bestand die Hanfreibe aus einem schweren konischen Stein, der im Kreis gedreht wurde.

1821 erscheinen Gottlob Jäger und 1837 Wilhelm Jäger als Besitzer der Mühle.

1847 wird im Brandversicherungskataster als neuer Eigentümer Johann Jung eingetragen, während bereits im Gebäudekataster im Jahr 1850 Johanna geb. Frisch, Ehefrau des Johann Jung von Eichelberg vermerkt ist.

1854 erwarb Christian Rappold die Mühle. Die Familie Rappold blieb in ihrem Besitz bis 1909.

1861 In der Beschreibung des Oberamts Weinsberg wird in Affaltrach "eine am Mühlgraben, der von der Sulm ausgeht, gelegene Mühle mit 2 Mahlgängen und 1 Gerbgang und 1 Gypsstampfe" erwähnt.

1877 erscheint Lorenz Rappold im Zusammenhang mit der Mühle. Er beantragte die beiden bisherigen oberschlächtigen Wasserräder zu entfernen und durch ein neues, ebenfalls oberschlächtiges Wasserrad ersetzen zu dürfen. Dies geschah aber erst 1909/1910 unter dem neuen Mühlenbesitzer Wilhelm Heuser.

Die ("Obere") Mühle und ihre Müller vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute

Der aus Niederhofen (heute Gemeinde Schwaigern) stammende Wilhelm Heuser arbeitete als Müller in der Willsbacher Mühle. Im Jahr 1909 erwarb er die Affaltracher Mühle von Lorenz Rappold. Als erstes wurde ihm gestattet, die zwei oberschlächtigen Wasserräder zum Antrieb eines Gerb- und zweier Mahlgänge gegen ein Wasserrad auszutauschen. Ab 1920 wurde als Antrieb zusätzlich ein 15-PS-Dieselmotor eingesetzt.

1921/1922

In diesem Jahr beantragte Wilhelm Heuser den Abbruch des 1811 erstellten Anbaus an der alten Mühle, in dem früher die Gipsstampfe und die Hanfreibe untergebracht waren. Dafür erbaute er 1922 ein neues, 15 m langes Mühlengebäude mit einer Firstausrichtung von Nord nach Süd. Der Neubau hatte Platz für vier Mahlgänge, einen Weißgang, einen Schwarzgang, einen Schrotgang sowie einen Gerbgang".  (Gerbgang: siehe Erläuterung oben bei den Jahren 1807/1808). In der alten Mühle befanden sich nun im Erdgeschoss ein Magazin, die Mehlkammer und die Mahlstube.

20-er Jahre

Die Zufahrt zur Mühle war bis in die 20-er Jahre recht mühsam. Es gab zum einen bei der Mühle eine Furt durch die Sulm, zum andern konnte über das steile "Munzebuckele" (Hirtengasse) das Mühlenanwesen erreicht werden. Vom Backhaus her endete die heutige Straße "Bei der Mühle" in einer Sackgasse. Dort stand früher noch ein Gebäude. Erst nach einem Brandfall konnte die Straße bis zur Einmündung in die Hirtengasse weitergeführt werden. Eberhard Böhmler, der seine Kindheit im Schulgebäude verbracht hatte, schrieb in seinen Erinnerungen über "Alt-Affalter" darüber: " Auf dem Dach der Schule war ein kleines Glockentürmchen aufgesetzt". Die Glocke wurde bei Ausbruch von Feuer am Ort geläutet. "Das Glockenseil reichte in den Dachraum herein. Für uns Buben war dies eine große Versuchung, das Glöcklein anschlagen zu lassen. Eines Nachts aber, als unten am "Munzebuckele" ein Haus im Flammen stand, habe ich dann doch des Amtes walten dürfen und ganz gehörig das Brandglöcklein geläutet. Das Haus brannte nieder und später hörte man dann, dass der Oberamtsbaumeister nun endlich die geplante Straßenführung zur Mühle realisieren konnte. Man häte also nicht so heftig läuten müssen."

1939 (Planung) Ausführung nach dem zweiten Welkrieg

Erst nach dem zweiten Weltkrieg konnte die Planung für einen  7 m langen Anbau an der Südseite der Mühle sowie eine Aufstockung verwirklicht werden. Dadurch wurde vor allem neuer Lagerraum gewonnen sowie eine neue Mahlstube eingerichtet. Zusätzlich wurde ein kleinerer Stallanbau errichtet. In dem früheren Mühlengebäude gab es nun im Erdgeschoss links vom Eingang anstelle einer Mehlkammer zwei Zimmer.

1945/46,

nach dem zweiten Weltkrieg übernahm der Sohn, Müllermeister Paul Heuser, den Betrieb, den er dann im Jahr 1974 in dritter Generation an seinen Sohn, Müllermeister Helmut Heuser, übergibt.

1998 wurde die Nutzung der Wasserkraft eingestellt. Nach dem Mühlenatlas für den Stadt- und Landkreis Heilbronn wurde nun als Antrieb ein 6-Zylinder-Dieselmotor mit ca. 100 KW (135 PS) eingesetzt. Die Abwärme wurde für die Getreidetrocknung und als Gebäudeheizung genutzt. In diesem Atlas wird die Mühle wie folgt beschrieben: 3 doppelte und 1 einfacher Walzenstuhl für 14 Mahlpassagen, dazu ein 6-teiliger Plansichter und eine Grießputzmaschine. Mahlleistung 15 t pro Tag, Die Silos fassen 50 t Mahrl und 1000 t Getreide.

2015 wurde der Mühlenbetrieb eingestellt. Damit endete die jahrhundertelange Geschichte der Mühlen im Sulmtal und ihren Nebenbächen. Der bekannte Mühlenladen wurde allerdings von den Eheleuten Renate und Helmut Heuser noch bis Ende des Jahres 2021 weitergeführt.


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