Rundgang Affaltrach
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Bei der Mühle 2, Obersulm-Affaltrach
Die Entstehung der Backhäuser in Württemberg geht zurück ins 19. Jahrhundert. König Wilhelm I. (1816 - 1864) verfügte damals, "... dass jede Gemeinde ein Backhaus haben müsse, das frei stehen und der Allgemeinheit zur Benutzung und Verwendung zu stehen habe." Ein Grund für diese Verfügung war, einen besseren Brandschutz zu erreichen; deshalb wurden die neuen Backhäuser mit einem hohen Kamin ausgestattet. Weiter sollte durch zentrale Backhäuser auch Brennmaterial eingespart werden. Zudem stand das Königreich auch unter dem Eindruck von ständig wiederkehrenden Hungersnöten. 1837 forderte daher das Königliche Oberamt Weinsberg seine Gemeinden auf Backhäuser zu bauen und einzurichten. Doch die schwierigen finanziellen Verhältnisse in den Gemeinden erlaubten solche Baumaßnahmen nicht, sodass die heute in Obersulm noch bestehenden alten Backhäuser aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen.
Das unter Denkmalschutz stehende Affaltracher Backhaus wurde 1873 von dem Weinsberger Oberamtsbaumeister Gottlob Wagner geplant. Von ihm stammt u.a. auch das Eichelberger Backhaus sowie die alten Volksschulgebäude in Affaltrach und Eschenau. Der eingeschossige Sandsteinbau mit Satteldach ist 6,80 m lang, 4,80 m breit und an der Nordseite ca. 5,50 m hoch. Das Backhaus ist mit der Giebelseite, auf der sich auch die Eingangstüre befindet, zur Straße "Bei der Mühle" ausgerichtet. Im Innern befindet sich die sog. Backküche mit zwei Backöfen.
Nach der Oberamtsbeschreibung von 1861 gab es schon einen Vorgängerbau. "Ein Gemeindebackhaus ist schon länger vorhanden und liegt am nordöstlichen Ende des Dorfes."
Das Backhaus gehörte zum Mittelpunkt des Dorflebens. Hier haben die Weingärtner- und Bauernfamilien ihr Brot und ihre Blechkuchen gebacken, Obst gedörrt - vor allem Zwetschgen und Birnen für das Schnitzbrot - oder Gerste zu Kaffeeersatz geröstet. Als Brennmaterial dienten trockene, kleine Büschel aus abgeschnittenen Reben von den Weinbergen oder auch Zweige von Obstbäumen.
Backhausordnung
Für den Betrieb des Backhauses wurde eine umfangreiche Backhausordnung erlassen. Ein Auszug daraus:
"Das Backen hat jeder selbst zu besorgen; jedem Backenden werden 3 Stunden Zeit gewährt" und zwar so, "dass der zuerst Backende imSommer um 9 Uhr und im Winter um 10 Uhr fertig sein muss, damit die folgenden nicht aufgehalten sind. Mehr als 5 mal am Tag darf nichtgebacken werden" war genauso festgelegt, wie "der Backhauspächter hat von dem Besteller des Backens ohne Rücksicht auf den Umfang der Backet und ohne Rücksicht, ob mehrere Personen in einer Ofenröhre backen oder nicht -,10 Pf anzusprechen; an Weihnachten, Ostern, Kirchweih darf auch nicht mehr erhoben werden. Das Obstdörren in den Backöfen ist bei Strafe verboten, das ist nur in dem Dörrofen oberhalb des linken Backofens gestattet. An Karfreitag ganztägig und an Fronleichnam bis mittags 12 Uhr, darf nicht gebacken werden."
Die Backkausordnung wurde mehrfach erneuert, doch inhaltlich kaum verändert. Aus den ursprünglich 10 Pf für das Backen wurde z.B. in der Fassung von 1953 10 Dpf. Warum in der Fassung von 1937 in Ziff.11 noch festgelegt war: "Der Backhauspächter hat jedes Frühjahr an die Gemeinde 10 Simri Asche vom Backhaus unentgeltlich abzugeben", ist heute nicht mehr nachzuvollziehen. Man hat vermutlich den alten Text einfach abgeschrieben. War doch ein "Simri" eine zu der Zeit nicht mehr gebräuchliche Maßeinheit, sondern ein altes süddeutsches Hohlmaß (1 Simri ca. 25 Liter). Früher hatte man oft nicht gewogen, stattdessen ein Gefäß, z.B. den Simri, bis oben mit Getreide gefüllt. Dann wurde einmal obendrüber abgestreift, und man hatte "das volle Maß", daher auch die Redewendung: "Das Maß ist voll!"
Backhausfrauen (-und männer)
Verantwortlich für den Betrieb des Backhauses und der Einhaltung der Backhausordnung waren die Backhausfrauen. Dass auch ein Mann diese Funktion ausübte, war äußerst selten. Doch um das Jahr 1900 war in Affaltrach tatsächlich diese Aufgabe einem Mann übertragen. So stellte Christian Straub am 12. Febuar 1900 an den "Wohllöblichen Gemeinderat" folgenden Antrag: "Da die Pachtzeit vom Gemeindebackhaus dahier mit dem 12. April d.(dieses) J(Jahres) zu Ende geht, erlaube ich mir die ergebenste Bitte an den wohllöblichen Gemeinderat zu stellen, mir die Pacht zum gleichen Preis wie bisher ohne eine Versteigerung auf weitere 3 Jahre überlassen zu wollen. Da ich mir bisher alle Mühe gab das Backhaus immer in reinlichen Stand zu erhalten, auch durch pünktlichs Aufschreiben und Nachsehen im Backhaus keine Klagen wegen irgend einer Unordnung vorkam, so wie daß ich den Pacht immer pünktlich bezahlte, und als Mann mit einem Arm der sonstige Arbeiten nicht leisten kann es bedürftig bin, denke ich daß meine Bitte Berücksichtigung findet und der Wohllöbliche Gemeinderat es mir genehmigen wolle". Diesem Gesuch stimmte der Gemeinderat auch zu.
Bei der Backhausfrau musste man rechtzeitig seinen Backtermin eintragen lassen. Für alle sichtbar wurden die einzelnen Termine mit Kreide auf eine schwarze Schiefertafel geschrieben, sodass die Backtermine für alle sichtbar waren. Sie überwachte die Einhaltung der Backordnung, z.B. "äußerste Pünktlichkeit" bei der Backzeit und hatte auch für die Reinigung im und um das Backhaus zu sorgen. Das Backhaus wurde in der Regel auf die Dauer von drei Jahren verpachtet. Dazu musste ein evtl. Pächter anfangs noch einen "tüchtigen Selbstzählerbürgen" benennen. 1953 z.B. betrug der jährliche Pachtpreis 50 DM, ging dann aber Ende der 50-er Jahre auf 30 DM zurück. Schließlich wurde der langjährigen Backfrau Maria Löffelhardt die Pacht auf 1 DM "Erinnerungswert" zurückgesetzt. In dem Maße, wie in den Haushaltsküchen zunehmend Gas- oder Elektroöfen ihren Einzug hielten, ging nämlich die Nutzung das Backhauses durch die Bürgerschaft immer mehr zurück. Auch die örtlichen Bäckereien lockten mit immer mehr Angeboten zunehmend mehr Kundschaft in ihre Läden. Die letzte offizielle Backhausfrau war bis zu Beginn der 70-er Jahre die in unmittelbarer Nachbarschaft des Backhauses wohnende Gertrud Jansen.
Heute wird das Backhaus vor allem beim jährlichen Brunnenfest im September vom örtlichen Landfrauenverein genutzt. Dort gibt es dann Backofenbrot sowie Grüne- und Zwiebelkuchen.